Hallo ihr Lieben,
Ich hoffe, es geht euch gut! Diesen Blogeintrag verfasse ich nicht mehr in Kambodscha, sondern schon zuhause in Graz. Letzten Montag habe ich noch auf der Demonstration Farm Gemüse gepflanzt und nicht geahnt, dass mein Freiwilligeneinsatz bald zuende sein sollte, fast fünf Monate zu früh. Am Montagabend ist der Beschluss des deutschen BMZs bekannt geworden, alle weltwärts-Freiwilligen aus ihren Einsatzländern zurückzurufen. Als Gründe wurden die schließenden Grenzen und die scheinbar schlechte medizinische Versorgung genannt. Das Freiwilligenprogramm der Jesuiten fällt auch unter weltwärts und so habe ich letzte Woche Dienstag direkt nach dem Aufstehen erfahren, dass ich Kambodscha umgehend verlassen muss. Ich hatte nur knapp fünf Stunden, um meine Sachen zu packen und mich von allen zu verabschieden, bevor ich abgeholt und nach Phnom Penh gebracht wurde. Wie ihr euch denken könnt, ist das viel zu wenig Zeit, um zu realisieren, was da gerade passiert. Schließlich bin ich aus meinem Leben dort komplett herausgerissen worden! Und ich war auch nicht bereit zu gehen: fünf Monate zu früh und mit einer ganzen Liste an Dingen, die ich noch machen wollte! Von den Kindern konnte ich mich leider nicht mehr verabschieden, weil am Tag davor alle Schulen geschlossen wurden. Das bricht mir ein wenig das Herz. Schließlich wollte ich meinen Abschied gut vorbereiten und ihnen in Ruhe erklären. Ich habe mir aber vorgenommen mit ihnen zu skypen und darauf freue ich mich schon jetzt. Der Abschied von all den anderen mir liebgewonnen Menschen war sehr emotional, aber schön. Sie haben innerhalb weniger Stunden ein paar Geschenke besorgt und mir kleine Briefe geschrieben, was mich wirklich sehr gerührt hat. Als ich mich dafür entschuldigte, selbst keine Geschenke für sie zu haben, hat Mr. Viseth, der Bauer auf der Demonstration Farm und, wenn man so will, mein Landwirtschaftslehrer, folgendes gesagt:
„You don’t have gifts for us, but we already have your heart.“
Und ganz ehrlich? Besser hätte er es nicht sagen können. All die Menschen dort, die mittlerweile meine Familie sind, werden immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Gleich wie Kambodscha im Allgemeinen: Ich habe ein Stück dieses Landes mitgenommen und im Gegenzug ein Stück von mir dort gelassen.
Jetzt bin ich mittlerweile seit ein paar Tagen wieder zuhause und ab und zu fühlt sich meine Zeit in Kambodscha wie ein Traum an. Es ist ein wenig surreal, wieder hier zu sein. Und ja, ich bin traurig, dass mein Abenteuer zu früh geendet hat. Aber ich bin einfach dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Ich habe in diesen kanpp sieben Monaten so viel gelernt:
Wie man Reis planzt und erntet, zu khmer Musik tanzt und Pfeffersauce selbst macht; Was Montessoripädagogik ist, woraus man ökologische Pestizide macht und wie man khmer cake kocht; Wie Palmsugar hergestellt wird, das Frauenbild der kambodschanischen Bevölkerung aussieht und was der Unterschied zwischen einer Pagode und einem Tempel ist; Was zu den Zeiten der Khmer Rouge passiert ist und welche Auswirkungen es bis heute hat, welche buddhistischen Feiertage es gibt und wie ein Zusammenleben mit verschiedenen Religionen funktioniert; Ich habe kambodschanische Kinderspiele gelernt, welchen Tieren man besser aus dem Weg gehen sollte und welche Bedeutung traditioneller Khmer Tanz hat; Welchen Stellenwert Geld hat, wie viel Korruption passiert und wie die Kambodschaner und Kambodschanerinnen mit Problemen umgehen; Wie es ist, die Einzige mit einer anderen Hautfarbe zu sein, dass Karaoke kein Hobby, sondern ein Lebensgefühl ist und die meisten Insekten besser schmecken, als man denkt; Das man auch ohne Klopapier überleben kann, worauf man achten muss wenn man Lemongrass pflanzt und wie es ist, wenn man das Wasser aus der Leitung nicht trinken kann; Ich hab gelernt, dass TukTuks das beste Fortbewegungsmittel überhaupt sind und wie es ist, so richtig arm oder direkt von der Klimakrise betroffen zu sein. Aber ich hab auch gelernt, dass lächeln das Allerwichtigste ist, man sich über kleine Dinge riesig freuen kann und dass gemeinsames tanzen unterschiedliche Sprachen mehr als wett macht.
Für das alles bin ich so dankbar und das kann mir niemand mehr nehmen. Und ich weiß auch: Das wird nicht mein letztes Mal in Kambodscha gewesen sein…